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Was ist Appropriation-Art?


Eine kunsttheoretische Einordnung

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von Günter Bachelier


 

Gemäß einer Kurzdarstellung, die sich aus der Lektüre von ART 11/88 ergibt, könnte man AP als eine in den USA entstandene Variante der Postmoderne auffassen, deren Ziel es ist, den letzten noch existierenden Mythos der bildenden Kunst, das Original als Zentrum des künstlerischen Schaffens, aufzulösen. Dies geschieht mit dem Prinzip der Wiederholung von Motiven. Das zweite Charakteristikum von AP-Art ist in der Wahl des Motivs zu sehen. Es werden keine eigene entwickelt, sondern diejenigen, die bereits in der Kunstgeschichte vorhanden sind, werden hierzu verwendet.

So jedenfalls stellt sich die 1:1 AP-Art dar, die fatalerweise als der Vorzeige-Substil der AP-Art betrachtet wird. Bezieht man jedoch verwandte Gebiete mit ein, und betrachtet auch hierzu den historischen Rahmen, so erscheint das Gebiet der Aneignung vielfältiger, komplexer und grundlegender für die Kunsttheorie, als dies bei einer oberflächlichen Betrachtung den Anschein hat. Bei dem Phänomen der Aneignung tauchen direkt Fragen auf, wie "Was kann und wird angeeignet", "Wann ist eine Wiederholung eine Kopie, wann ein Zitat, wann eine Fälschung oder wann eine Appropriation", "Wo liegt die Abgrenzung zwischen Aneignung aus der Kunstgeschichte und Aneignung aus kunstexternen Gebieten".

Beschäftigen wir uns vorerst mit dem Fragekomplex des Was und Woraus der Aneignung, bevor wir einen historischen Abriß dieses Phänomens aufzeigen.

Geht man zuerst von der ethymologischen Bedeutung der Appropriation als Aneignung aus, so drängt sich natürlich die Frage auf, was ein Künstler sich nun konkret aneignen kann. Da die bildende Kunst im wesentlichen aus Bearbeitungstechnik und Motiv besteht, so müssen diese beiden Komponenten diese Frage beantworten.AP-Art im engeren Sinne, wie sie hier nur verwendet werden kann, ist aber nur die Aneignung des Motivs, da sonst bei konsequenter Aneignung der verbleibenden Komponente Technik als einzelnes Element der Aneignung, der Begriff der Appropriation sich auf die gesamte Kunstgeschichte ausdehnen würde. Würde man die Bearbeitungstechnik sich allein aneignen, so wären z.B. alle Künstler bis auf den Ersten, der mit -l-Harz-Pigment-Emulsionen experimentierte, AP-Art Künstler. An diesem Beispiel wird jedoch klar, daß eine so weite Fassung der AP-Art keiner Abgrenzung und keinem weiteren Erkenntnisgewinn dienen kann. Daher kann die Aneignung von gleicher Technik mit der Möglichkeit der Variation des Motivs nicht Grundlage einer Differenzierungstypologie sein. Die Umkehrung, also die Aneignung des gleichen Motivs mit der optionalen Möglichkeit der Variation der Bearbeitungstechniken bietet daher einen vernünftigen Ausgangspunkt für eine weitere Aufteilung von immanenten Varianten.

Bei der Frage, aus welchen Medien angeeignet werden kann, kann man eine in diesem Zusammenhang sinnvolle Unterscheidung zwischen kunstimmanenten und kunstexternen Medien treffen. Die Aneignung aus kunstexternen Medien war schon immer grundlegender Bestandteil der Kunst. AP-Art macht in diesem Zusammenhang die evolutionäre Fortführung von Bestehendem und den Austauschprozeß zwischen kunstimmanenten und kunstexternen Medien deutlich. Es wird dabei kunstfremdes Material durch den Künstler transformiert, sodaß diese Elemente in den Gesamtrahmen der Struktur der jeweiligen Gegenwartskunst paßt.

Besonders auffällig ist im 20.Jahrhundert der Transfer von Elementen aus der Werbung und der Trivialkultur in dem Bereich der Kunst. Wie die Ausstellung "High & Low" im New Yorker Museum of Modern Art hervorragend darstellt, wurde dieser Transferprozeß von allen künstlerischen Innovatoren des 20.Jahrhunderts eingesetzt, um die Strukturvielfalt der jeweiligen Gegenwartskunst zu vergrößern.

Dieser Prozeß wird aber traditionell hinter dem vermeintlichen Genie desjenigen versteckt, den man als Innovator der Kunstgeschichte ansieht. Dabei wird kaum darauf aufmerksam gemacht, daß hierbei immer von Bestehendem ausgegangen wurde, und in der historischen Rückschau betrachtet, ist oft nur die Transformation von den Vorbildern in eine neue Kunstform, mit nur wenigen formalen Unterschieden geschehen. So geschehen bei der Transformation von iberischen und afrikanischen Vorbildern zum Kubismus, den Picasso etwa 1907 vollzogen hat. Die gleichen Vorbilder dienten aber auch Braque und anderen in diesem Kreis als Ausgangspunkt ihres Schaffens.

Heute kann niemand mehr ernsthaft von einer creatio ex nihilo bei der Kunstproduktion ausgehen, einem Relikt der romantischen Genieästhetik, obwohl in der Moderne diesem Schöpfermythos lange Zeit in Form des Glaubens an die fortschreitende Innovation gehuldigt wurde. Daß der Aneignungsgedanke so spät seinen zentralen Platz in der Kunsttheorie erhalten hat, ist darin zu sehen, daß er den Kunstproduzenten und ihrem Umfeld, die für sich diese schöpferische Aura beanspruchen, wenig schmeichelt. Es erwächst hieraus für diese Personengruppe eine Bedrohung, die sich nachvollziehen läßt, wenn z.B. Oswald Spengler 1863 den Untergang der Abendländischen Malerei heraufziehen sieht bei E.Monets Anleihe bei Raffael für die Figurencollage "Frühstück im Grünen", oder wenn Nietzsche vor experimentierenden Nachahmern und wagehalsigen Kopisten warnt, die ein stilles, verborgenes Wachstum unmöglich machen (Fr. Nietzsche, Menschliches, Allzumenschliches, Hrsg. Schlechta, München 1954, Seite 579).

Nötig wäre ein theoretisches Modell, anhand dessen man die Evolution der Kunst durch den sich in der jeweiligen Gegenwartskunst darstellenden Widerspruchs zwischen Tradition und Innovation beschreiben könnte. Einen Weg bietet hier Markus Brüderlin an, wenn er von Kunst als einem autopoietischen System im Sinne Manturanas spricht (Kunstforum Band 104 Seite 144). Kunst in Form der jeweiligen Gegenwartskunst, wird dabei als ein selbstorganisierendes System gesehen, dessen Verhalten in einem abstrakten Zustandsraum durch einen sogenannten seltsamen Attraktor beschrieben wird, dessen Zentren die Tradition und die Innovation in der Kunst sind. Inwieweit sich eine Gegenwartskunst von den beiden Zentren beeinflußt sieht, ist von der Position der Gegenwartskunst auf dem Attraktor abhängig. Unvorhersehbar wird die Weiterentwicklung des Systems durch den chaotischen Charakter des Attraktors, da ständig Austauschprozesse zwischen kunstinternen und kunstexternen Gebieten stattfinden, die dem System jeweils eine andere Bahn im Attraktor zuordnet.

Obwohl dieses Modell bislang kaum qualifizierte Aussagen, geschweige denn quantifizierte Aussagen über das System Kunst, bzw. sein Systemverhalten machen kann, scheint es doch eine adäquate Beschreibung des Sozialphänomens Gegenwartskunst zu sein.

In der Kunsttheorie herrschte bislang weitgehend Einigkeit darüber, daß das Systemverhalten, insbesondere im 20.Jahrhundert, sich sehr nahe um das Zentrum der Innovation bewegte, doch mit der Erschließung der AP-Art wird klar, daß sich das System Kunst wirklich unregelmäßig oszilierend um beide Zentren bewegt.

Es wird deutlich, daß die AP-Art die Wertmaßstäbe der Moderne durch ihre Innovation negieren kann. Die Wertmaßstäbe der Moderne, wie Schock, Innovation, Einreihung durch die Rezipienten in den Bereich des Bekannten, werden dadurch unterbrochen, in dem das Bekannte den Schock auslöst, der zu keiner Innovation führt, sondern zu dem Erkennen des Systemverhaltens der Kunst.

Doch der Austauschprozeß zwischen dem Kunstsystem und kunstexternen Gebieten ist keineswegs einseitig. Auf der einen Seite steht die Assimilation von Elementen aus kunstexternen Medien durch Künstler, bis zum Extrem der Direktübernahme von Werbeanzeigen, wie sie Jeff Koons Anfang der 80er Jahre produzierte, indem er sie durch einen Tinten-Großdrucker auf Riesenformate vergrößern ließ. Auf der anderen Seite steht die Aneignung von Kunstmotiven, z.B. durch die Werbung, etwa wenn Mondrian-Motive für Spirituosenwerbung genutzt werden. Diese Form ist aber nur eine Ausprägung. Durch das immer stärkere Aufkommen des Art-Sponsorings etablieren sich subtilere Formen der Werbung mit Hilfe der Kunst, so z.B. wenn die Lufthansa hyperrealistische Skulpturen von Duane Hanson für ihre Imagewerbung einsetzt. In diesem konkreten Fall bestand die Sponsoringleistung der Lufthansa unter anderem im kostenlosen Transport der Skulpturen aus den USA nach Tübingen, worauf als Gegenleistung die Nutzung der Skulpturdarstellungen für Imagewerbung vereinbart wurde.

Allgemeiner Zweck des Kunstsponsorings, sowie der oft damit verbundenen Werbung, mit Hilfe von Kunstmotiven, ist der Imagetransfer einer, in der Öffentlichkeit angesehenen Kulturausprägung der Kunst, auf das Imageempfinden der Öffentlichkeit, bei der Rezeption von Firmennamen und Produkten. Da Kunstsponsoring eine über die 90er Jahre hinausgehende, ständig steigende Bedeutung haben wird, kann ebenfalls mit einer verstärkten Aneignung von Kunstmotiven in der Werbung gerechnet werden. Zweck dieser Werbung ist es, immer selektiver diejenigen Zielgruppen anzusprechen, die sonst mit einem konventionellen Marketing-Mix nicht, oder nicht mehr zu erreichen und zu aktivieren sind. Man wird immer mehr davon abkommen, die Marketingschlachten der 80er Jahre zu wiederholen, die enorme Kosten verursachten, und deren Aktivierungspotential bei steigendem Einsatz immer geringer wurde. Man wird im strategischen Marketing-Mix von dem Mega-Werbe-Gedanken abkommen, und zu der Marketingstrategie "small is beautiful" hinfinden, die mehr auf Sequentierung des Marktes und auf höhere Werbeselektion setzt. In diesem Rahmen wird das Art-Sponsoring als Element des Marketing-Mix eine zunehmendere Rolle spielen. Hiervon profitieren natürlich auch die Künstler, da ein solcher Imagetransfer immer beidseitig wirkt, sodaß ein bekanntes Sponsoring-Unternehmen durch seine Kunstwerbung auch positiv auf den Bekanntheitsgrad des Künstlers wirkt.

Diesen Effekt setzen hingegen einige Künstler bewußt ein, wenn sie Werbeelemente in ihre Kunst integrieren, oder wenn diese Kunst primär aus Marketing-Elementen besteht. Kunst wird bei diesen Künstlern zu Werbung, wenn Werbeelemente in ihre Kunst aufgenommen werden. Geworben wird in diesem Zusammenhang für ihre eigene Kunst, und für den Künstler selbst, dessen Name in die Rolle eines Markennamens gebracht wird. Wichtig sind dabei die sprachliche Konventionalisierung des Künstlernamens und der Kunstbeschreibung in prägnanten Slogans.

Hier sehen wir einen der Hauptgründe, warum AP-Art einen sehr schnellen kommerziellen Erfolg zu verbuchen hatte.Wurde für dieses, in der Kunstgeschichte immer vorhandenes Phänomen, erst einmal ein passender Name gefunden, könnte damit kognitiv umgegangen werden. Dieser Name, AP-Art, wurde als Markenname etabliert, der die Aufgabe hat, für sich selbst und seine Verfechter zu werben. Mit Erfolg, wie man nun schon retrospektiv zurückblickend sagen kann, da seit der inzwischen legendären Ausstellung des 1:1 AP-Art Künstlers, Mike Bidlo, bei dem wohl berühmtesten New Yorker Galeristen Leo Castelli, im Januar 1988, findet man AP-Art auf allen wichtigen Gegenwartskunst Ausstellungen und Messen. So waren Vertreter der AP-Art auf der Documenta 7 und 8, auf der Biennale di Venezia 1990, ebenso auf der Ausstellung "Bilderstreit" und Prospekt 1989 zu besichtigen. Sie waren ebenfalls auf allen großen Messen von Art Cologne bis Basel und Chicago vertreten.

Erst mit einer sprachlichen Regelung dringt ein neuer Stil in das Bewußtsein der Menschen, was eine der Grundvoraussetzungen dafür ist, daß dieser Stil kommerziell an Bedeutung gewinnt.

Verursacht ist dieses Phänomen erstens durch die Tatsache, daß Denken nur in Sprache möglich ist, und zum zweiten durch die prinzipielle Schwierigkeit, bildende Kunst oder visuelle Eindrücke überhaupt verbal zu fassen. Dies gelingt nur auf einem durch Konvention abgestimmten Niveau, genau dann, wenn verallgemeinernde, meist nicht zutreffende Schlagworte sich eingebürgert haben, um gewisse visuelle Eindrücke zu beschreiben. Diese Schlagworte dienen aber in erster Linie nur dazu, um dem Zuhörer oder Leser Assoziationen zu vermitteln, nicht aber einer beschreibenden Intension.

Gebildet werden diese Verallgemeinerungen durch Publikationen z.B. in den Feuilleton-Seiten von Zeitungen, in denen der Kritiker das Unmögliche versucht, über Kunst zu schreiben, ohne daß der visuelle Reiz mitgeliefert wird. Diese plakativen Beschreibungen werden von den Lesern aber als Möglichkeit akzeptiert, um über diese Kunstgattung zu sprechen. Geschieht dies, so sind die psychologischen Voraussetzungen für die kommerzielle Akzeptanz dieses Stils gelegt.

Bemerkenswert ist diese Sprachabhängigkeit im Bewußtsein der Menschen, besonders deswegen, da das Phänomen der Appropriation in der Kunst seit ihren Anfängen, d.h. seit der Ablösung des Bildes von sakralen Zwecken, eines der beiden wesentlichen Systemelemente ist. Belegen läßt sich dies mit einer Vielzahl von historischen Darstellungen, die an dieser Stelle andeutungsweise aufgeführt werden sollen.

Historische Wurzeln hat dieses Phänomen in der Kopie, die in der Antike als Kulturnachahmung neben der Naturnachahmung gleichberechtigt etabliert war. Das Bewußtsein einer Urheberschaft in der Art, wie es sich seit dem 18. und 19.Jahrhundert auch rechtlich gebildet hat, fehlt im Gedankengut der Antike. Auch in der Renaissance und im Barock stand der kulturelle Wert der Kopie neben dem des Originals gleichberechtigt da. Für die großen Meister, wie Tizian, Veronese, Michelangelo usw. war das Kopieren von Werken ihrer Kollegen und Vorfahren als interpretierendes Nachempfinden eine selbständige Kunst, und Rubens gilt in der Kunstgeschichte unter anderem als der große Kopist.

Doch im Verlauf der Emanzipation der Künstlerindividualität in der Abendländischen Kultur, gerät der Originalbegriff immer mehr in den Vordergrund. In anderen Kulturkreisen, wie dem östlichen Christentum, und den Kulturen Asiens, besitzt die Kopie von Meistern seit jeher einen eigenständigen künstlerischen Wert, der im östlichen Christentum in Form der Ikone den Originalbegriff vollkommen dominiert.

Im Abendländischen Kulturkreis schwindet die Bedeutung der Kopie aus der Gegenwartskunst im 19.Jahrhundert mit dem Aufkommen von Vervielfältigungstechniken auf photochemischer Basis. An ihre Stelle tritt das Zitat, mit dem versucht wird, im Historismus klassische Ideale wieder zu beleben. Ausprägungen des Zitats sind z.B. Skulptur-im-Bild- oder Bild-im-Bild-Darstellungen, die bewußt oder unbewußt die Sehnsucht nach vergangenen ästhetischen Idealen verkörpern, oder als Symbolträger innerhalb allegorischer Darstellungen auftreten. In beiden Fällen muß aber das Original bzw. der Symbolgehalt dem Betrachter bekannt sein, denn erst aus diesem Vorwissen ergibt sich eine, der künstlerischen Intention adäquate Erschließung des Werkes und seiner historischen Einordnung.

Doch die Tradition des Zitates reicht nicht nur bis in die Klassische Moderne des 20.Jahrhunderts, mit Picasso, Picabia und Chirico, sie reicht auch bis in die aktuelle Gegenwartskunst, und bildet die Randzonen der AP-Art.

Der klassische AP-Art-Begriff geht auf diese Vertreter der Klassischen Moderne ebenfalls zurück, vor allem auf die Arbeiten von Chirico, einem Meister des surreal motivierten Verwirrspiels um Zitat, Fälschung, Kopie und Selbstreproduktion. So hat Chirico ab den 20er Jahren eigene Werke kopiert und variiert, oft in dutzendfacher Ausführung. Höhepunkt dieser Prä-AP-Art-Inszenierung waren die Skandale um den von Chirico angeworbenen Kunstmaler, der in seinem Auftrag eine Fließbandproduktion surrealer Bilder erzeugte, die natürlich von Chirico signiert und verkauft wurden. Auf dieses Ereignis berufen sich heute Szene-Stars, wie Mark Kostaby und Dave Whiteman, für die das Produktionsverfahren, oder selbst die konkrete Konzeption von Einzelwerken nicht mehr zu den Aufgaben des Künstlers gehören. Sie sehen den Künstler vor allem als einen visionären Konzeptionär, der Rahmen und weitreichende Definitionen für die Kunstproduktion setzt, und die Einzelrealisation Assistenten oder technischen Anlagen überläßt.

Doch auch die klassische Konzeptkunst und die Minimal-Art der 60er und 70er Jahre beziehen ihr Gedankengut, was die Produktionsweise anbelangt, ebenso wie die Absolute Malerei der 50er Jahre, aus den Wurzeln, die von Picabia und Chirico gelegt wurden. Besonders die Absolute Malerei ist durch die Auseinandersetzung mit der Produktionsart und dem Originalbegriff tiefgehend geprägt. Das in den 50er Jahren entstandene Konzept der Depersonalisierung der Malerei durch radikale Vereinfachung der Form- und Farbrepertoirs sollte eine Anonymisierung der Kunst erzeugen. Ziel dieser im Bauhaus wurzelnden Konzeption, war die Verschmelzung von Kunst und Leben durch die Angleichung der Kunst an die den Alltag prägenden technischen Produkte des Haushaltes und der Büros. Kunst sollte als Dekorationsgegenstand nicht nur in diese Alltagswelten passen, sie sollte diese durch ihre radikale Ästhetik formen. Diese soziale Komponente war eine der Grundlagen für die "Erweiterte Kunstauffassung" von J. Beuys, der jede menschliche Handlung als kreativen Urakt ansah, und durch die gebührende Würdigung dieser Urkreativität durch die Gesellschaft das Sozialsystem so verändern wollte, daß Leben als Kunst und Kunst als Leben lebbar wird.

Auch in der Pop-Art zeigen sich diese vielfach verflochtenen und durch die Künstlergenerationen hindurch wirkenden Konzeptionen. Zeigte sich in der Depersonalisierung der Kunst der 50er Jahre ein Bruch mit der Zitattradition, so lebte diese in der Pop-Art der 60er Jahre nicht nur wieder auf, sondern sie war der wesentliche Bestandteil des Pop-Art Gedankengutes. Ob bei Oldenburgs ins Gigantische projizierte Alltagsobjekte oder bei Warhols Suppendosen, die Aneignung kunstexterner Mediendarstellungen wird zur Hauptmotivquelle. Hierbei wird das Zitat überwunden, und die ursprüngliche Tradition der Aneignung von Kulturquellen tritt abermals in Erscheinung. Obwohl eng mit der Pop-Art verbunden, unterscheidet sich die AP-Art bei der Aneignung doch dadurch von ihr, daß nicht die Beliebigkeit der Pop-Kultur zelebriert wird, sondern daß Kriterien unterschiedlichster Art von den AP-Art-Künstlern geschaffen werden, nach denen Vorhandenes selektiert wird, bevor es in den Transformationsprozeß der Aneignung gelangt.

Der Akt des Auswählens bekommt bei der AP-Art den gleichen künstlerischen Wert, wie der Akt des Neuschaffens zugeschrieben. Dieser Punkt erscheint als das wichtigste Merkmal einer Klassifizierung der AP-Art, mit der man sie trotz vollkommener Stilfreiheit als ein Ganzes beschreiben kann. Über das Verhältnis von Neuschaffung und dem kognitiven Akt des Auswählens in der Kunst, hat Dave Whiteman Thesen erarbeitet, die sich für die weitere Entwicklung der AP-Art als epochär erweisen werden (Näheres hierzu siehe im Interview mit Dave Whiteman).

Bevor wir die Vielfalt der Erscheinungsformen der AP-Art anhand von einigen Künstlern und ihren speziellen Beiträgen darstellen wollen, möchten wir noch kurz auf das Phänomen der Fälschung eingehen, die wir als eine Kopie mit bestimmten Restriktionen auffassen, und die damit in den Geltungsbereich der AP-Art gelangt.

Mit dem Aufkommen eines bürgerlichen Kunstmarktes im 17. Jahrhundert stieg die Nachfrage nach Kunstwerken von bestimmten Künstlern, wobei schon hier eine Tendenz zur Ausbildung von Künstlernamen als Markennamen zu beobachten ist. Aufgrund eines vorherrschenden Geschmackes und der Bevorzugung gewisser Künstler, aus welchen Gründen auch immer, bilden sich verschiedenste Preisniveaus für Künstlerwerke heraus, die letztlich Ursache für das Schaffen von Fälschungen sind. Zweck der Fälschung ist es, durch eine möglichst typische bzw. genaue Kopie den Anschein zu erwecken, das Werk sei von einem bestimmten anderen Künstler geschaffen worden, um von dessen höherem Preisniveau zu profitieren. Es sind dabei zwei Arten von Fälschungen denkbar, zuerst eine kopierte Fälschung, bei dem ein, dem Fälscher bekanntes Werk so kopiert wird, daß eine bestimmte Zielgruppe keine Unterscheidungskriterien herausbilden kann. Die zweite Möglichkeit ist das gefälschte Originalsubstitut, bei dem der Fälscher versucht, Stilmerkmale und Techniken eines Künstlers so anzuwenden, daß ein "neues" Werk des zu fälschenden Künstlers entstehen soll. Diese Fälschungsart ist also keine Kopie, sondern eine Neuschaffung mit bestimmten Restriktionen, wie der Einhaltung gewisser Stileigenheiten, die dazu dienen sollen, einer Zielgruppe als Original des zu fälschenden Künstlers verkauft zu werden, nach einer entsprechenden Fälschung der Signatur.

Im 20.Jahrhundert entwickelte sich die Fälschung zu einem eigenen künstlerischen Thema, das sich mit dem Widerspruch der Originalität eines Werkes und des Nachfragedruckes des Marktes auseinandersetzt. Duchamp, Picabia und Chirico sind Künstler, die sich Anfang des Jahrhunderts intensiv mit diesem Themengebiet beschäftigt haben. Exemplarisch sei hier der Ready-made Begriff von Duchamp erwähnt, mit dem er Alltagsobjekte durch Definition zu Kunstobjekten wandelte, und gleichzeitig damit ihren Tauschwert entscheidend beeinflußte. Durch diesen Prozeß der Umdefinition des sozialen Kontextes eines Objektes, verweist Duchamp auf die Existenz eines finanziellen Perpetuum Mobile, durch den er den Tauschwert eines beliebigen Objektes variieren kann. Gleichzeitig verweist Duchamp auch auf eine Grundeigenschaft der ökonomischen Beziehungen in Sozialsystemen, die bei der Involviertheit in die alltäglichen Tauschprozesse leicht untergeht, auf die Tatsache, daß es keinen natürlichen Wert eines Gutes gibt. Der Wert eines Gutes bestimmt sich aus der Relation zu dem Gut, welches als Substitut das gleiche Nutzenniveau verursacht. In unserer Wirtschaftsform ist es dabei zu einer der Hauptaufgaben von Güteranbietern geworden, diejenigen Nutzenniveaus zu erzeugen bzw. Güter bestimmten Nutzenniveaus zuzuordnen, die es rechtfertigen, einen bestimmten Preis für dieses Gut zu verlangen. Als Instrument wird hierzu die Werbung genutzt, die versucht, Bedarf nach Nutzenniveaus durch bestimmte Güter zu wecken, oder einem Gut ein bestimmtes Image zu geben, das es in ein bestimmtes Nutzenniveau eingliedert.

Nach diesem kurzen Exkurs möchten wir verschiedene Facetten und Randgebiete der AP-Art anhand von Künstlerwerken darstellen, die es uns letztlich erlauben, eine Typologie der AP-Art zu schaffen.

Zu den Kerngebieten der AP-Art wird in der Regel die 1:1 Appropriation gerechnet, zu deren Vertreter Mike Bidlo und Elaine Sturtevant gehören. Bidlo fertigt 1:1 Reproduktionen von Kunstwerken bekannter Künstler des 20.Jahrhunderts an und signiert diese mit eigenem Namen. Typologisch gesehen, wird dieses Vorgehen zu der Gruppe der Kopien gerechnet, und grenzt sich von der Fälschung dadurch ab, daß nicht versucht wird, eine Zielgruppe arglistig zu täuschen. Durch die Arbeit von Bidlo wurde eine fetischistische Facette des Sammlertums bloßgelegt, die mit den abnorm steigenden Kunstpreisen bei Spitzenobjekten virulent wurde, und an die Bidlo zu Anfang seiner Tätigkeit sicher auch nicht gedacht hatte. Das Hauptkundenpotential von Bidlo sind durchaus gut betuchte Sammler, die sich aber Spitzenexponate der Moderne schon lange nicht mehr leisten können. Es zeigt sich dabei, daß das Bedürfnis nach solchen Objekten durch Bidlo-Arbeiten zu befriedigen ist, da sich Sammler oft euphorisch darauf freuten, z.B. einen typisch aussehenden und repräsentativen Jackson Pollock besitzen zu dürfen, auch wenn dieser nicht echt ist, und Bidlos Signatur darauf zu finden ist.

Einen noch größeren Kundenkreis könnte sich Bidlo wohl schaffen, wenn er auf eine prägnante Signatur verzichten würde, da zu der oben genannten Sammlergruppe nun jene sehr große Gruppe kommen würde, die Kunst kauft, um vom positiven Kunstimage zu profitieren. Also ein Imagetransfer ähnlich dem beim Art-Sponsoring, bei dem ein Unternehmen auch versucht, durch das positive Kunstimage zu profitieren. Dieser individuelle Imagetransfer ist eine noch nicht vollkommen erforschte Facette bei der Auseinandersetzung mit AP-Art (einen Ansatz liefert hierzu das Kapitel "Psychologische Motivationsfaktoren der Innovationskäufer von AP-Art").

Sturtevant betreibt die 1:1 AP-Art schon viel länger, als dieser Begriff in die Kunsttheorie eingeführt wurde. Seit Ende der 60er Jahre produziert sie ausschließlich Pop-Art-Appropriationen, die sie wie pret a porter-Ware offeriert. Technisch sind ihre Werke von unübertroffener Perfektion, was darauf zurückzuführen ist, daß sie z.B. von Lichtenstein und Warhol Herstellungstips aus erster Hand erhalten hat.Die mit ihrer Arbeit verbundene Kritik an der Kommerzialisierung des Kunstbetriebes greift heute aber angesichts astronomischer Preise für diese Pop-Art-Klassiker zu kurz. Die Kommerzialisierungsform, die in Zukunft vorherrschend sein wird, deren Ursprünge heute schon erkennbar sind, ist der Verlust der optischen Signifikanz eines Werkes, an dessen Stelle Informationen über Anschaffungswert, Wertsteigerung in der Vergangenheit, Größe und Format, Lagermodalitäten und ähnliches treten. Beobachtbar ist dies dort, wo bei Messevorbesichtigungen Angestellte von Art-Consulting-Unternehmen, oben genannte Informationen in Verbindung mit Künstlernamen (als Markennamen) notieren, ohne auf die optischen oder gar künstlerischen Qualitäten der Werke einzugehen.Aus der Sicht des kurzfristigen Kunstinvestments mag dies sicherlich sinnvoll erscheinen, aber ein langfristiger Erfolg, unabhängig von kurzlebigen Modeerscheinungen kann nur gesichert werden, wenn zusätzlich zu den oben genannten Informationen die ästhetische und künstlerische Qualität nicht von Einzelwerken, wohl aber von Künstlerwerkgruppen mit ins Kalkül gezogen wird. Auf dieser Vorgehensweise beruht letztlich der Capital-Kunstkompaß, der über viele Jahre hinweg wichtige und wertvolle Aussagen über die Entwicklung von Künstlerbedeutungen und ihrer Preise lieferte.

Sich diesem kurzfristigen Denken entgegenzusetzen und Qualität bewußt einzukalkulieren, ist eines der Hauptmaxime des Fördervereins zur Informationsverbreitung über den Kunstmarkt, denn es hat sich historisch bei der letzten großen Prosperität auf dem Gebiet der Gegenwartskunst Anfang der 70er Jahre gezeigt, daß all diejenigen Unternehmen, die sich ausschließlich diesem kurzfristigen Denken verschrieben hatten, die 80er Jahre ökonomisch nicht mehr erlebten.

Eine künstlerische Kritik dieser kurzfristigen Spekulationen wäre wünschenswert, ist aber bislang nur in Ansätzen bei Jeff Koons, Katharina Fritsch und bei Louise Lawler zu entdecken.

Ein weiteres Mitglied der AP-Art Bewegung ist Philip Taffe, der sich mit der Appropriation von geometrischen Bildlösungen, beispielsweise von Barnett Newman und Bridget Riley beschäftigte, bevor er diese Bildelemente für eigene Werke einsetzte, sie kombinierte und variierte, und damit zum hochbezahlten Star der Galeristin Mary Boone wurde (Näheres im Nachtrag zur 1. Auflage).

Mit ähnlich abstrakt geometrischen Rückgriffen, diesmal aber auf die Autonome Malerei der 50er Jahre mit ihrer Depersonalisierungstendenz, hat sich John Armleder über die Jahre einen Namen gemacht. Auch hier wird in erster Linie, wie bei Taffes zweiter Phase, Stilelemente und Stilvokabular gesammelt, geordnet und in neuen Zusammenhängen kombinatorisch zusammengefügt. Als zusätzliches Erkennungszeichen, bzw. Markenzeichen, hat sich Armleder darauf spezialisiert, Gegenstände aus dem Alltag oder Musikinstrumente mit seinen geometrischen Arbeiten zu kombinieren, wobei er besonders Möbel aus den 50er Jahren bevorzugt.

Auch bei Armleder zeigt sich, daß die Austauschprozesse zwischen kunstexternen und kunstinternen Gebieten sich jedes Objektes bedienen können, das irgendwie materiell dauerhaft darstellbar ist, was vor allem der kommerziellen Nutzung zugute kommt, und den Ready made- Gedanken von Duchamp aktualisiert. Armleder als Künstler der AP-Art zu bezeichnen, ist sicherlich in der Literatur nicht üblich, doch mit seinem Werk, seiner Appropriation von Stilvokabular, in Verbindung mit der Appropriation aus kunstexternen Gebieten, legt eine Eingliederung in den AP-Art-Zusammenhang nahe.

Näher am zentralen Gedankengut der AP-Art steht Sherrie Levine, die sich mit der Bedeutung des Autors, also des Urhebers und seiner Originalität beschäftigt. Sie versucht, Fragen wie "Was ist ein Original", "Welche Rolle spielt der Urheber", "Welche Rolle spielt der Fotograph, der ein Werk abfotografiert, um daraus Druckvorlagen, z.B. für einen Ausstellungskatalog herzustellen", "Welche Rolle spielt der Herausgeber, z.B. eines Ausstellungskatalogs, bei der Selektion von Abbildungen", u.ä.

Damit sie diese Fragen in den Griff bekommt, arbeitet Levine mit einer mehrstufigen Produktionsweise, indem sie den Prozeß der Appropriation über mehrere Werkstufen iteriert. Beispielsweise werden Werke von Leger abfotografiert, entweder aus Büchern oder vom Original, dann als Aquarell in der Größe des Fotoabzuges nachgearbeitet, dann wieder abfotografiert und in einer anderen Technik weiter bearbeitet usw. Auf diese Weise entstehen Serien von Arbeiten eines Motivs in den verschiedensten Techniken, bei der eine Werkstufe den Input für die nächste liefert, es entsteht also eine Iteration von Werken ähnlicher Motive.

Einen analogen Ansatz hat Dave Whiteman mit Arbeiten wie "But its hopeless" verfolgt, indem er das bereits von Sturtevant leicht abgeänderte Werk, und nicht das Original von Lichtenstein appropriationierte, und dieses dabei wiederum leicht veränderte. Er schuf damit also eine zweiphasige Iteration.

Visionär wäre in diesem Zusammenhang eine Kommunikationsform zwischen verschiedenen Künstlern, oder gar zwischen Generationen von Künstlern, die Werke ihrer Mitkünstler, bzw. Vorgänger, iteratif mit individuellen Veränderungen appropriationieren. Künstler A arbeitet ein Original nach, Künstler B bearbeitet das Werk von A, indem er es appropriationiert, Künstler C bearbeitet das Werk von B usw.

Etwas ähnliches gibt es bereits in der Kunstgeschichte, z.B. wenn Picasso Werke Alter Meister wie Velazquez, in seinem individuellen Stil nacharbeitet und Bidlo sich die Picasso-Arbeit aneignet.

Nicht nur für die Künstler wäre dies ein raum- und zeitüberspannender Dialog, sondern auch für Kunsttheoretiker und Kunsthistoriker wäre dies ein interessantes Studienobjekt, da nur so die Eigenarten und Interdependenzen von Künstlern und Stilen in Reinstform herausgearbeitet werden könnten. Durch einen solchen Rückkopplungsprozeß, bei dem natürlich auch Künstler A das Werk von Künstler C appropriationieren könnte, entstünde ein selbstorganisierendes, kunstgenerierendes System, das unabhängig von der Existenz individueller Künstler und unabhängig von räumlichen und zeitlichen Entfernungen, die jeweiligen Einflüsse der Systemelemente und ihrer Interaktion zur Umgebung verarbeiten würde. Was sich als Attraktor eines solchen Systems ergeben würde, darüber kann nur spekuliert werden, doch in jedem Fall ist dieses System eine qualitativ völlig andere Form der Kunstproduktion, als sie von Einzelkünstlern oder Künstlergruppen bislang praktiziert wird. Etwas ähnliches schwebt Dave Whiteman mit seinem selbstorganisierenden Hypermedia-Kunstgenerierungssystem vor, von ihm als WAN (Whithemans Art Network) bezeichnet, bei dem alle denkbaren Kombinationen von Kunstproduktionsideen und Konzepten zu einem Netzwerk integriert sind. Dieses System würde den iterativen Produktionsprozeß unterstützen, dadurch, daß es autoiterativ wirkt. Erzeugte Kombinationen von Werken, Ideen, Konzepten usw. die sich als materielle Einzelwerke darstellen, werden hierbei wieder als Input in das System aufgenommen. Ein von diesem System geschaffener Output wird also in sein eigenes Bildarchiv eingebracht, und kann als Kombinationselement für ein neues Werk verwendet werden.

Wenden wir uns dem schon öfters erwähnten Jeff Koons zu, der einen künstlerischen Weg vom Ready made-Produzenten zum kritischen Kunst-Kitsch-Erzeuger bislang hinter sich gebracht hat. Angefangen hat Koons, indem er Ready mades anfertigte, wie etwa die Präsentation fabrikneuer Staubsauger in einer keimfrei erscheinenden Plexiglasvitrine. Dann brachte er mit der Direktübernahme von Werbung den Diskursprozeß des Austausches zwischen kunstexternen und kunstinternen Gebieten wieder in Gang, einer für die jüngere AP-Art-Geschichte wichtigen Station. Dem Austauschgedanken ist er auch bei seinen Kunst-Kitsch-Arbeiten treu geblieben, Arbeiten, bei denen er die Assimilation von Kitsch in den Bereich der Kunst dokumentiert, und damit die Relativität auch dieser Grenzen klarstellt. Zu erwähnen sind in diesem Zusammenhang die Arbeiten, wie die Keramikskulptur von Michael Jackson, mit seinem Affen, oder die Holzskulptur mit zwei Engeln und einem Schwein, beides in Form und Farbgebung so dargestellt, als ob sie geradewegs aus dem Lager eines Souvenirgeschäftes entsprungen wären. In seiner jüngsten Werkphase arbeitet Koons multimedial, wie in seinen Arbeiten zur Biennale di Venezia zu sehen ist, wo er zusammen mit dem italienischen Pornostar und Abgeordneten Ilona Staller einen Film drehte, Szenen aus diesem Film als Großfotos nachstellte, und diese dann als Vorlage für lebensgroße realistische Skulpturen nutzte. Die Ausführung dieser und all seiner anderen Arbeiten überließ er Spezialisten auf den jeweiligen Gebieten.

Haim Steinbachs Vorgehensweise zeichnet sich dadurch aus, daß er Alltagsgegenstände auf selbstgefertigten, farbigen Konsolen präsentiert. Bei dieser altarähnlichen Konstellation kommt der Ready made Gedanke wieder zu Tage, da hier kunstexterne Gegenstände in einen Kontext verlegt werden, der sie zu Kunst macht.

In ähnlicher Weise werden bei Katharina Fritsch Waren auf Sockeln dargeboten, doch hierbei handelt es sich nicht um Originalwaren im Sinne des Ready made, sondern diese Objekte werden so gestaltet, daß sie in ihren Eigenschaften leicht von den Originalwaren abweichen. Bevorzugt werden Objekte dargestellt, die Gebrauchs und Konsumgütern ähneln, sich aber in Größe, Proportion, Farbe u.ä. von den käuflich zu erwerbenden Originalgütern unterscheiden.

Ein besonderes Betätigungsfeld im Fragenkomplex der AP-Art hat sich Allan Mc Collum mit seinen Surrogates gewählt. Diese Objekttypen bestehen aus Teilelementen, die durch Kombination oder Permutation verknüpft werden. Es entsteht dadurch eine sehr große Anzahl von objektiven Unikaten, die sich aber alle sehr ähnlich sehen. Beispielhaft sind hier die 10000 radikalsymmetrischen Objekte aus Hydrocal und Lack zu erwähnen, die Collum 1988 unter dem Namen "Individual Works" als Installation in der New Yorker Galerie J.Weber ausstellte. Diese ähnlichen Unikate stellen Chiffren für Kunst dar, sie verweisen durch sich auf ihre eigene Rolle als Warenzeichen, die als Objekte für nichts anderes stehen, als für sich selbst. Collum benutzt mit dieser Technik der ähnlichen Unikate das gleiche Stilelement wie Dave Whiteman mit seinem selbstorganisierenden Hypermedia-System WAN, dessen kreative Leistung in der Variation und Kombination von bekannten Medieneinheiten besteht.

Der österreichische Medienkünstler Peter Weibel schafft sich hingegen fiktive Künstlerpersönlichkeiten mit jeweils individuellen Zügen in ihren Kunststilen, Medien und Ausstellungsformen. Diese Künstler läßt er in einen Dialog treten, indem sie mit ihren verschiedenen Mitteln kunstexterne oder kunstinterne Themen appropriationieren. Hierbei besteht auch die Möglichkeit der bereits oben erwähnten iterativen Appropriation, d.h. daß ein Künstler das Werk eines anderen AP-Art Künstlers sich aneignet, wobei eine beliebig lange und komplex verschachtelte Reihe entstehen kann. Man muß sich dabei aber immer vergewissern, daß diese Aneignungen nicht das Werk von verschiedenen Künstlern sind, sondern immer von Weibel erzeugt werden, was ihn in die Nähe von Sherrie Levine und der iterativen Appropriation bringt.

 

Nachdem wir nun in unsystematischer Form einige Aspekte und Randgebiete der Aneignung dargelegt haben, und bevor wir eine systematische Darstellung in Form einer Typologie der AP-Art erstellen wollen, möchten wir noch mit einigen Bemerkungen auf ein,der Kunst benachbartes Gebiet, der Musik, eingehen. In der Musik wird mit der Aneignung und der Interpretation seit jeher viel unproblematischer umgegangen als in der Kunst, was insbesondere in den Eigenschaften des Mediums Musik begründet liegt. Musik als Klanggebilde ist von einer Person oder einem technischen Gerät abhängig, ohne dass es nur als Potential oder als Notenschrift existiert, wenn dies durch die Art der Klänge möglich ist.

Am Anfang des vielphasigen Prozesses der Erzeugung steht der Komponist oder Musiker, der eine Klangidee in einem schriftlichen System niederlegt, der durch Experimente aus der Vielzahl der möglichen Klangformen auswählt, oder der in einer Live-Situation experimentiert oder variiert, wie dies beim Free Jazz die Regel ist. Ist ein Klanggebilde in einer Schriftform fixiert, so ist es zwar unabhängig von seinem Erzeuger geworden, aber notwendig auf einen Interpreten angewiesen, um für den Zeitpunkt, in dem der Interpret dieses Klanggebilde erzeugt, zu existieren. Jeder Interpret bringt aber notwendigerweise wegen seiner Individualität ein anderes Klanggebilde hervor, selbst wenn "Werktreue" angestrebt wird. In den meisten Fällen wird jedoch bewußt eine Interpretation angestrebt, was einer Motiv-Appropriation schon entspricht. Auch sind hier Veränderungen jeglicher Art erlaubt und an der Tagesordnung, wie z.B. bei einer Cover Version in der Popmusik, bei der ein Sänger ein Lied eines Anderen nachsingt, wobei der Variation des Klangbildes des Sängers und der Musik keine Grenzen gesetzt sind.

Wie in der Kunst setzt sich auch hier die jüngste Avantgarde der U-Musik mit dem Themengebiet der Appropriation auseinander, wie sich am Beispiel des "Samplings" darlegen läßt. Hierbei werden Fragmente von Originalmusikstücken einem eigenen Grundsound beigemischt, sodaß ein möglichst homogener Gesamteindruck entsteht. Erfolgreich waren mit diesem Konzept Gruppen wie MARS, mit Hilfe einer Samplingtechnik, die heute auf jedem Vierspurgerät praktizierbar ist.

Mit diesem Exkurs sollte verdeutlicht werden, daß die Appropriation eine allumfassende Erscheinungsform der Kreativität ist, und daß in der Gegenwartskultur diese Fragenkomplexe besonders starken Einfluß auf die Produktion von Kunst, Musik und anderen Kulturgütern hat, wobei man sicherlich auch für andere Kulturformen, wie Architektur, Design, Theater u.ä. solche Appropriationstendenzen im gegenwärtigen Schaffen beobachten kann.

 

Kommen wir nun abschließend zu der systematischen Typologie des Begriffes der Aneignung. Aus den oben durchgeführten Betrachtungen läßt sich zunächst die grundlegende Unterscheidung der Aneignung aus kunstexternen und kunstinternen Gebieten ziehen. Die im Folgenden durchgeführte Differenzierung bezieht sich auf die Aneignung kunstinterner Gebiete und ist so gestaltet, daß in der Regel mit steigender Numerierung die Veränderung des Motivs stetig zunimmt.

Da die Veränderung eines Motivs so weit getrieben werden kann, daß dieses Motiv nicht mehr als solches wahrnehmbar ist, finden wir es sinnvoll, die Grenze zwischen AP-Art und einer Totalveränderung der Vorlage dort zu ziehen, wo ein Recognition-Test eine Erkennung des Motivs noch signifikant anzeigt. Auch bei der Unterscheidung der einzelnen Unterdifferenzierungen kann mit einem Recognition-Test wie folgt gearbeitet werden: Einer Versuchsgruppe werden Fotos von Originalkunstwerken mit objektiven Größenvergleichen z.B. einem mitabgebildeten, durchschnittlich großen Menschen dargeboten. Nach einer Konsolidierungszeit von etwa 60 Minuten werden der Versuchsgruppe andere Fotos gezeigt, die zum Teil die Originale, zum Teil Appropriationen und zum Teil neue Bilder zeigen.Werden die Abweichungen der Appropriationen richtig und signifikant identifiziert, so werden diese in die entsprechende Gruppe der Typologie aufgenommen.

Es bleibt noch zu erwähnen, daß die Typologie nicht vollständig sein kann, da die verschiedensten Künstler an weiteren Differenzierungen arbeiten, besonders der Punkt 1.4. birgt ein unübersehbar großes Differenzierungspotential. Das WAN von Dave Whiteman ist vor allem auf solchen Klassifikationen aufgebaut, in der die physikalischen Darstellungsformen der Kombinationen und Variationen der Kunstkonzepte in Verbindung mit einer großen Bilddatenbank organisiert sind. Eine nähere Beschreibung der verwendeten Klassifikationen konnten wir von Dave Whiteman nicht in Erfahrung bringen, da er offenbar dies als eine Art Geschäftsgeheimnis betrachtet, und vor einer Veröffentlichung schützt.

 

 

1. Einstufige Verfahren

Dieser Punkt umfaßt all diejenigen Verfahren, die mit einem einzigen Werkschaffungsprozeß erzeugt werden können, d.h. nicht durch einen iterativen Produktionsprozeß.

1.1. Fälschung

Hierunter fallen alle Untergruppen, die eine Aneignung betreiben, mit dem Ziel der arglistigen Täuschung. Wichtiges Unterscheidungsmerkmal ist die Anbringung einer Signatur, die nicht mit dem Erzeuger des Werkes übereinstimmt. Auf die Möglichkeit der bewußten Weglassung einer Signatur, um auch damit den Zweck der arglistigen Täuschung zu verfolgen, wird hier nicht weiter eingegangen.

1.1.1. Fälschung als Aneignung eines vorhandenen Motivs

Diese Form der Aneignung ist die formal restriktivste, da aus der Sicht derjenigen, welche die Fälschung als das Original betrachten, dieses Werk das Original ist.Dies wird erreicht durch eine versuchte asymptotische Annäherung an das Original in den Bereichen Technik, Material, Format, Farbe u.ä. Eine von der Zielgruppe nicht identifizierte Fälschung dieser Art, ist also die engste Ausprägung des Begriffes "Aneignung".

1.1.2. Fälschung als Aneignung eines vorhandenen Stilvokabulars

Hierbei wird keine direkte Motivaneignung vollzogen, sondern ein neues Werk in einem bestimmten, streng eingegrenzten Stilvokabular geschaffen, mit dem Zweck der arglistigen Täuschung durch Anbringen einer gefälschten Signatur. Dieser Punkt durchbricht die Reihenfolge der ansteigenden Veränderung des Motivs, da er viel weiter unten stehen müßte. Da es sich aber trotz allem um eine Fälschung handelt, halten wir es für sinnvoll, diesen Punkt an dieser Stelle aufzuführen.

1.2. Kopie

Hierunter sind alle Aneignungen eines Motivs zusammengefaßt, die zum einen keine arglistige Täuschung versuchen, zum anderen keinen expliziten Anspruch auf eine aktive Rolle im Dialog der jetzigen Gegenwartskunst erheben. Kopien in diesem Sinne sind also alle Aneignungen, die z.B. unternommen werden, um die persönliche Maltechnik zu vervollkommnen.

1.2.1.Kunst im reproduktionstechnischen Sinne

Hierunter ist ein noch sehr junges, reproduktionstechnisches Verfahren gemeint, das mit Hilfe von hochauflösenden Scannern, Computern und Ölfarbdruckern eine optisch, durch den Menschen nicht unterscheidbare formale Kopie einer Vorlage erstellt. Dabei wird die Vorlage Punkt für Punkt in ihrer Farbzusammensetzung und ihrer Höhenstruktur analysiert und mit Hilfe eines speziellen Misch-und Auftragverfahrens übertragen. Zu künstlerischen Zwecken ist dieses Verfahren bislang jedoch nicht eingesetzt worden, sondern nur um Neue-und Alte Meister zu kommerziellen Zwecken vielfach zu reproduzieren. Möglichkeiten zu einer künstlerischen Nutzung ergäben sich durch gezielte Umprogrammierung der Verarbeitungs-Software, durch die Farb-, Format-, Proportions- und Höhenstrukturveränderungen denkbar sind. Bei einer Veränderung würde diese Kopieart, je nach der Art der Veränderung, unter Verfahren mit einer höheren Numerierung fallen.

1.2.2. Kopie im klassischen Sinne.

Hierbei wird versucht, durch Annäherung an das Original, Technik, Ausdrucksform u.ä. des Vorbildes zu erkunden. Nicht notwendigerweise wird dabei versucht, alle Eigenschaften vom Format über die Farbgebung bis zur Pinselführung gleichzeitig zu imitieren. Zu dieser Kategorie gehören daher auch all diejenigen Versuche, die mehrere dieser Eigenschaften nachvollziehen wollen, und den genannten Zweck der Vorbilderkundung erfüllen. Ungenauigkeiten ergeben sich bei der persönlichen Kopie im klassischen Sinne, immer durch unbewußte Abweichungen von den Ausprägungen der Eigenschaften des Originals. Entscheidend hierbei ist vor allem der Versuch der Erkundung durch den Kopisten, weniger die objektiven Eigenschaften des Ergebnisses.

1.3. Appropriation-Art (AP-Art)

Hierunter versteht man eine Vielzahl von Differenzierungen von Aneignungen, bei denen die verschiedensten Abweichungen erlaubt sind. Abgrenzungen zur Kopie ergeben sich dadurch, daß die AP-Art den Anspruch einer Rolle in der Gegenwartskunst erhebt, im Gegensatz zur Kopie, die einen eher privaten Charakter besitzt. Wichtig bei der AP-Art ist vor allem die Herausbildung von Kriterien zur Auswahl derjenigen Originalobjekte, die appropriationiert werden. Diese künstlerindividuellen Kriterien sind in ihrer Gesamtheit zwar variabel, im Einzelfall aber explizit bestimmbar, was sie unter anderem von der Pop-Art abgrenzt. Die Grenze der AP-Art wird dort gezogen, wo die Erkennbarkeit in einem Recognition-Test nicht mehr gewährleistet ist. Mit dieser Grenze zwischen internen Gebieten der AP-Art und "dem Neuen" beschäftigt sich Dave Whiteman intensiv.

1.3.1. 1:1 AP-Art

Hierunter versteht man Aneignungen eines Motivs, ohne daß schwerwiegende Abweichungen zu dem Original innerhalb eines Recognition-Test erkennbar sind. Betrachtet man nur die formalen Aspekte, so wäre eine 1:1 Appropriation durchaus der Kopie zuzurechnen. Da aber die 1:1 AP-Art keinen privaten Charakter besitzt, sondern einen kritischen Ansatz in der Gegenwartskunst vertritt, sind hier von der Konzeption Unterscheidungen zu treffen. Solche Konzepte findet man bei Bidlo in der Auseinandersetzung mit dem Sammlertum, und bei Sturtevant in der Auseinandersetzung mit der Kommerzialisierung des Originals. Als Beispiel einer 1:1 AP-Art sei hier das Werk "But its hopeless" von Sturtevant angeführt, an dem auch leicht aufzeigbar ist, welche Abweichungen innerhalb dieser formal restriktivsten AP-Art Form noch hinnehmbar sind. Im Folgenden werden die drei deutlichsten Abweichungen zwischen dem Original von Lichtenstein und der 1:1 Appropriation von Elaine Sturtevant dargelegt.

  1. Linker Rand oben; zwischen Schulter, Sprechblase und den beiden Händen. Bei Roy Lichtenstein ist dieses Farbfeld rot, wo hingegen es bei Elaine Sturtevant schwarz ist.
  2. Rechter Rand unten; zwischen Gesicht, Haar, unterem und rechten Rand; bei Roy Lichtenstein ist dieses Farbfeld weiß mit dem für ihn typischen Punktraster in blau, bei Elaine Sturtevant wird auf dieses Punktraster verzichtet, d.h. es bleibt weiß.
  3. Rechter Bereich neben dem Ohr; bei Roy Lichtenstein ist das blonde Haar deutlich weiter nach unten gezogen als bei Elaine Sturtevant.

Zu erwähnen bleibt noch, daß das Werk "But its hopeless" von Dave Whiteman, welches im Bildteil abgebildet ist, eine iterative Appropriation darstellt, da er als Vorlage das Werk von Sturtevant wählte. Der entscheidende Unterschied zur Arbeit von Sturtevant besteht u.a. in der Spiegelung an der rechten Kante, einer Transformation, die in den Bereich der AP-Art mit einer Abweichung gehört.

1.3.2. AP-Art mit einer Abweichung

Hierunter sind Aneignungen zu verstehen, die nur in einem Parameter vom Original abweichen. Objektiv ist eine solche singuläre Darstellung natürlich nicht durchführbar, da bei noch so großer formaler Genauigkeit noch Unterschiede erkennbar sind. Als Hauptparameter sind die folgenden Differenzierungen zu nennen, wobei sicherlich noch weitere existieren, die eine noch tiefere Differenzierung ermöglichen würden.

1.3.2.1. Nur Technik-Abweichungen

Unter Technik wird dabei z.B. der Untergrund, die Grundierung, die verwendeten Farbarten, die Pinselführung u.ä. verstanden.

1.3.2.2. Nur Formatabweichung

Hierbei wird die Reproduktion des ganzen Originalmotivs in einem abweichenden Format ohne sonstige Veränderung verstanden.

1.3.2.3. Spiegelungen

Hierunter versteht man die Spiegelung eines ganzen Werkes an einer seiner Kanten. Problematisch sind hierbei Werke, die nicht rechtwinklig aufgebaut sind, da es hier zu Verzerrungen kommen könnte. Auch existieren Werke, bei denen eine solche Abweichung nicht anwendbar ist, wie z.B. eine kreisförmige Fläche.

1.3.2.4. Nur Ausschnittsabweichungen

Hierunter versteht man die Aneignung eines Ausschnitts eines Originalmotivs, wenn dieses noch so groß ist, daß es mit dem Original in Verbindung gebracht werden kann. Die Darstellung z.B. einer einzelnen Hand in einer bestimmten Stellung, wäre eine Grenzsituation und müßte mit einem Recognition-Test untersucht werden. Einige Lichtreflexe auf einem Handausschnitt würden hierzu aber zweifellos nicht mehr gezählt werden.

1.3.2.5. Proportionsabweichung

Hierunter versteht man eine Dehnung oder Stauchung eines Motivs, wobei notwendigerweise das Format geändert werden muß, wenn man das ganze Motiv noch darstellen will, oder man wählt bei gleichem Format einen Ausschnitt. In jedem Fall kann dieser Parameter nicht singulär in Erscheinung treten, daher auch der Wegfall des "Nur" in der Bezeichnung.

1.3.2.6. Nur Farbabweichung

Hierunter versteht man die Aneignung eines Motives, bei dem die Farben erkennbar verändert wurden, und dies auf einem genügend großen Teil der Bildfläche. Es genügt also nicht eine leichte Veränderung eines Rottones auf etwa 5% der Bildfläche.

1.3.3. AP-Art mit zwei Abweichungen

Bildet man aus den Abweichungsparametern 1.3.2.1 bis 1.3.2.6 2er Tupel, deren Elemente sich unterscheiden und deren Reihenfolge unberücksichtigt sein soll, so erhält man die Menge aller Unterdifferenzierungen dieses Punktes, beispielsweise 1.3.3.1 Technik-und Formatabweichungen 1.3.3.2 Technikabweichungen und Spiegelungen. Auf eine nähere explizite Darstellung wird verzichtet.

1.3.4. AP-Art mit drei Abweichungen

Hierunter versteht man 3er Tupel, deren Elemente sich unterscheiden ohne Berücksichtigung der Elementreihenfolge.

1.3.5. AP-Art mit vier Abweichungen

1.3.6. AP-Art mit fünf Abweichungen

1.3.7. AP-Art mit sechs Abweichungen

1.4. Kombinatorische Appropriation von Einzelmotiven

Hierbei handelt es sich um die Appropriation von einem oder mehreren Motiven, die durch einen künstlerischen Zusammenhang als ein Werk aufgefaßt werden müssen.

1.4.1. Kombinatorische Appropriation in einem Einzelwerk

Hierbei handelt es sich um das Zitat, bei dem ein oder mehrere Motive z.B. als Bild im Bild gestaltet werden.

1.4.1.1. Das klassische Zitat

Ein Motiv wird hier in einer bestimmten Umgebung angeeignet, wobei die Umgebung keine Appropriation eines Motives darstellt. Bsp.:Ein Stilleben wird aus verschiedenen Elementen arrangiert, bei dem ein Element ein Bild ist. Wird dieses Stilleben z.B. gemalt, so stellt das Bild die Appropriation und der Rest der Elemente die Umgebung dar. Es besteht weiterhin die Möglichkeit, mehrere Bilder in einer Umgebung zu appropriationieren, bzw. Verschachtelungen von Bildern im Bild zu erzeugen. Bsp.:Bei oben genanntem Bild handelt es sich bereits um eine Bild im Bild Darstellung, die appropriationiert wird. Bei den bisherigen Beispielen handelte es sich um eine Art natürliche Einfügung von Bild im Bild Elementen. Es besteht natürlich auch die Möglichkeit, ein beliebiges Motiv bezugslos auf ein anderes Motiv zu setzen. Bsp.: Auf das Werk "But its hopeless" von Lichtenstein wird an einer beliebigen Stelle ein anderes Werk aufgelegt. Vergleichbar ist dieses Vorgehen mit der Fenstertechnik (Windows) bei Computern, die in beliebiger Größe, an beliebigen Stellen, in beliebiger Zahl und evtl. in beliebiger Form übereinandergelegt werden können.

1.4.1.2. Appropriation-Zitat

Hierbei ist die Umgebung keine Eigenmotivschöpfung wie beim klassischen Zitat, sondern wiederum eine Appropriation. Bsp.:Matisse hat oft Interieurs gemalt, in denen er eigene Werke zitierte (Eigenzitat als Spezialfall von 1.4.1.1.). Wird nun ein solcher Matisse angeeignet, und fügt man in den Bildbereich, z.B. eine Appropriation eines Kandinskys ein, so fällt das Ergebnis unter diesen Punkt. (Streng genommen würde schon die Appropriation des Matisse-Bildes mit einem Selbstzitat unter diesen Punkt fallen). Auch hier sind mehrere Appropriationen innerhalb einer AP-Art-Umgebung ebenso möglich wie Bilder in Bildverschachtelungen, oder das beliebige Aufsetzen eines oder mehrerer Motive auf ein anderes.

1.4.2. Kombinatorische Appropriation in mehreren Einzelwerken

1.4.2.1. Nur AP-Art Polyptichen

Hierunter fallen Serien von Bildern, die nur aus Appropriationen bestehen.

1.4.2.2. Auch AP-Art Polyptychen

Hierunter fallen Serien von Bildern, bei denen mindestens ein Bild eine Appropriation ist. Auf weitergehende Differenzierungen im Bereich der Polyptychen, wie z.B. unterschiedliche Hängung, nicht rechtwinklige Darstellungen u.ä. wird wegen der enormen Fülle der Variationsmöglichkeiten aus Platzgründen verzichtet. Diese Differenzierungen bilden jedoch wichtige Klassifikationen im WAN von Dave Whiteman.

1.5. Stilvokabular Appropriation

Hierunter versteht man in Analogie zur "Fälschung als Aneignung eines Stilvokabulars", die Aneignung von Stilelementen eines Künstlers, die dazu benutzt werden, um stilähnliche Werke zu erzeugen, die in das Oeuvre des Künstlers passen könnten,ohne daß Inkonsistenzen entstehen würden. In der Terminologie von Dave Whiteman wird dieser Punkt mit " Possible works" bezeichnet. Diese Kategorie wird dazu benutzt, die Grenze zwischen AP-Art und originärem Kunstschaffen zu erkunden, um damit Aussagen über die kognitiven Prozesse zu gewinnen, die Dave Whiteman allgemein als Selektion von zufällig erzeugten Kombinationen und Variationen kognitiver Zustände auffaßt.

1.5.1. Stilvokabular Appropriation mit Motivvorlage

Bei diesem Verfahren wird als Vorlage ein Motiv verwendet,welches im ersten Schritt in ein anderes Medium transformiert wird, bevorzugt in das Medium Fotografie. Am Beispiel von Lichtensteins "But its hopeless" soll dieses Verfahren verdeutlicht werden. Ein Fotomodell, welches dem Motiv ähnlich sieht, wird zuerst in einer, dem Originalmotiv ähnlichen Darstellung abfotografiert. Daraufhin werden Variationen, z.B. in der Haltung von Kopf und Hand, in der Aufnahmeperspektive u.ä. vorgenommen und abfotografiert, wobei auch die Möglichkeit des Hinzufügens oder des Entfernens von Objekten und Personen besteht. Diese Fotoergebnisse werden dann im Lichtenstein-Stil in Gemäldeform übertragen. Es entstehen also Werke, die an das ursprüngliche Motiv erinnern und die formal vom Erzeuger des Originalmotivs stammen könnten.

1.5.2. Stilvokabular Appropriation ohne Motivvorlage

Bei diesem Verfahren wird völlig auf ein Originalmotiv als Ausgangslage verzichtet. Es werden bestimmte Arrangements von Personen und Gegenständen abfotografiert, die dann in einen bestimmten Stil z.B. den von Lichtenstein übertragen werden.

2. Mehrstufige Verfahren

Hierbei wird das Motiv in mehreren Phasen hintereinander iterativ bearbeitet, wobei die entstandenen Werke als Serie oder als Einzelwerk dargeboten werden können. Als Werkphasen stehen zur Verfügung: Zeichnung, Graphik, Malerei, Skulptur, Installation, Fotografie, Performance, Video, Darstellung auf einem EDV Datenträger, Darstellung in einem anderen neuen Medium, Sonstiges. In jeder Werkphase sind natürlich eine Vielzahl von individuellen Ausprägungen möglich, wie Aneignungen von Einzelkünstlerstilen, von Alten Meistern, Impressionisten, Expressionisten u.ä. bei der Werkphase Gemälde. Bei mehrstufigen Verfahren der Länge n wird aus der Menge aller Werkphasen ein bestimmtes n-Tupel gewählt, und in der ausgewählten Reihenfolge iterativ bearbeitet. Bsp.: Einem Tupel mit vier Elementen entspricht z.B. folgende Reihung AP-Zeichnung Nr.1/AP-Malerei Nr.1/AP-Zeichnung Nr.2/AP-Skulptur Nr.1 . Sei die Anzahl der zur Verfügung stehenden Werkphasen gleich m und die Elementanzahl des Tupels gleich n, so ergeben sich m x n mögliche Unterdifferenzierungen unter diesen Punkt 2. Neben den verschiedenen Stilen innerhalb der Werkphasen, sind alle Abweichungen in den AP-Art-Darstellungen zugelassen, die in 1.3. dargelegt sind. Auch ist hier die Verknüpfung mit allen in 1.4. aufgeführten Möglichkeiten denkbar. Die Einbeziehung von 1.3. und 1.4. sowie die m x n-Unterdifferenzierungen macht deutlich, daß eine solche, noch verhältnismäßig unvollständige Typologisierung der AP-Art allgemein, sowie der mehrstufigen Verfahren im Speziellen, in ihrer kombinatorischen Fülle nur mit einer komplexen EDV erzeugt werden kann. Dies ist wohl einer der wesentlichen Punkte, warum Dave Whiteman sein WAN-Projekt als Hypermedia-System konzipiert hat.

 


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